No one in the world ever gets what they want and that is beautiful: Three Thousand Years of Longing ist vielleicht mein liebster George-Miller-Film

Ich würde nicht behaupten, dass Three Thousand Years of Longing George Millers bester Film wäre — manchmal ist die offensichtliche Antwort die richtige, Fury Road ist the one to beat. Aber Three Thousand Years of Longing ist der Film Millers, an den zu denken in mir die wärmsten Gefühle auslöst, über den ich mich regelmäßig freue, dass er überhaupt existiert. Es ist einer dieser Filme, die sich anfühlen, als würde man dem Filmemacher zuschauen, wie er vor laufender Kamera das Studio ausraubt: Es muss Miller klar gewesen sein, dass ein solcher Film nicht zu vermarkten ist, dass er hier im Grunde Geld verbrennt, aber irgendwie hat er dennoch ein Studio überzeugt, dieses seltsame, unkommerzielle, schwer zu kategorisierende passion project zu finanzieren.

Three Thousand Years of Longing, für diejenigen, die ihn bislang verpasst haben (aka die meisten), erzählt von Alithea (Tilda Swinton), einer britischen »Narratologin«, die, während einer Konferenz in Istanbul eine alte Glasflasche kauft, in der, stellt sich heraus, ein Djinn steckt. Der Djinn (Idris Elba) gewährt ihr drei Wünsche, doch Alithea, vertraut mit unzähligen Sagen und Geschichten über erfüllte Wünsche, zögert, ihre Wünsche einzulösen, aus Angst vor unbeabsichtigten Konsequenzen. Der Djinn, für den die Erfüllung der Wünsche die Freiheit bedeuten würde, versucht Alithea zu überzeugen, indem er ihr seine Jahrtausende umfassende Geschichte erzählt.

Wenn man so will ist Three Thousand Years of Longing George Millers Version eines Richard-Linklater-Films: Für den Großteil des Films führen Alithea und ihr Djinn die Sorte ausschweifende, philosophische Diskussion, die Filme Linklaters wie die Before-Trilogie oder Waking Life antreibt. Sie reden über Geschichtenerzählen, Sehnsucht, Liebe — die ganz großen Themen, und sie tun das mit derselben entwaffnenden Naivität, die Linklaters Figuren oft haben, als hätte noch nie jemand über diese Themen geredet.

Aber Miller wäre nicht Miller, würde er nicht einen Weg finden, auch diesen eher statischen Plot mit seinem patentierten Maximalismus zu inszenieren. Die Geschichten des Djinn sind opulent bebildert, in leuchtenden Farben — ein erfrischender Kontrast zum Trend zu entsättigtem Color-Grading, der das aktuelle Mainstream-Kino prägt. Wie in der Mad-Max-Reihe arbeitet Miller mit Andeutungen, füllt seine Bilder mit surrealen visuellen Ideen, die er bewusst unerklärt lässt. Wie die Mad-Max-Reihe haben diese Sequenzen, vom Voice-Over des Djinn abgesehen, minimalen Dialog.

Der Effekt ist allerdings nicht ganz derselbe wie bei Mad Max: In Mad Max schafft Millers Art des Worldbuilding das Gefühl einer bewohnten, lebendigen Welt, einer, in der jedes Element, jede Figur seine Geschichte hat und die größer ist, als das, was wir sehen; hier fügt sich — vielleicht, weil die Ideen entrückter, surrealer sind, vielleicht wegen dem digitaleren, cleaneren Look, der auch eine gewisse uncanniness hat — nicht alles so sauber zusammen, und ich glaube, das ist so beabsichtigt. Alles macht hier ein Bisschen weniger »Sinn« — der Plot arbeitet mit Auslassungen oder hastet durch Erklärungen, als wollte Miller uns sagen »just go with it«, die Settings und Locations sind eher skizziert als wirklich ausgearbeitet —, und all das gibt den Geschichten des Djinn eine traumähnliche Logik. Miller wechselt gelegentlich auch recht abrupt die Tonalität, von leichtfüßiger, quirky Romanze bis zu Horror, was einer der Gründe ist, warum Three Thousand Years of Longing im Grunde unmöglich zu vermarkten war, aber den Film auch konstant überraschend und abwechslungsreich macht.

Auf einer Ebene ist Three Thousand Years of Longing ein typisches Alterswerk: Ein Großmeister des Mediums erzählt eine Geschichte über die Bedeutung von Geschichten. Solchen Werken stehe ich grundsätzlich skeptisch gegenüber, aber ähnlich wie Spielberg in The Fabelmans sieht Miller das Thema mit einer gesunden Ambivalenz, und geht weit über eine »Liebeserklärung an das Geschichtenerzählen« oder was auch immer hinaus. Alithea, wie Sammy Fabelman, ist so in ihrer Welt des Geschichtenerzählens verloren, dass sie Gefahr läuft, darüber zu vergessen, noch ein eigenes Leben zu führen. Und zum Leben gehört, scheint der Film nahezulegen, Wünsche, Sehnsüchte zu haben, gerade auch unerfüllte.

Um eine letzte Referenz zu bringen, Three Thousand Years of Longing erinnert mich auch an das Spätwerk der Wachowskis, besonders Cloud Atlas. Three Thousand Years of Longing ist ähnlich (über-)ambitioniert, ähnlich bereit, große Risiken einzugehen, und entsprechend auch ähnlich polarisierend. Er trifft durchaus einige Entscheidungen, die ich fragwürdig finde. Aber er ist auch ähnlich persönlich und offenherzig wie der Wachowski-Film, und wenn ein so großer Filmemacher wie Miller spät in seiner Karriere nochmal einen solchen big swing macht, so viel von sich selbst in sein Werk steckt und sich dabei so angreifbar macht, kann ich nicht anders, als das charmant und berührend zu finden, und froh zu sein, dass Miller sich irgendwie die Chance erschlichen hat, diesen seltsamen Film machen zu dürfen.



Date
May 28, 2024