Seien wir ehrlich: Es war abzusehen, dass Megalopolis nicht ganz gelungen sein würde. Francis Ford Coppola hatte die Grundidee zum Projekt in den späten 70ern. In den fast fünf Dekaden seitdem wandelte sich Coppolas Vision wieder und wieder, immer neue Einflüsse wirkten darauf ein: zeitgeschichtliche Ereignisse wie 9/11, Bücher, die Coppola gelesen hat, Weine, die er getrunken hat (vermutlich). In der Berichterstattung nahm das Projekt geradezu mythische Züge an: Es wurde als Coppolas potenzielles magnum opus gehandelt, charakterisiert als so (über-)ambitioniertes wie unvermarktbares, teures Mammutprojekt. Um den Film endlich selbst zu finanzieren, verkaufte Coppola unter anderem einige seiner Weingüter. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es Coppolas letzter Film sein – in diesem Film kulminiert also die Karriere eines der einflussreichsten Filmemachers in der Geschichte Hollywoods. Die Produktion selbst war Berichten von Cast und Crew zufolge chaotisch und, für einige, frustrierend: Auch am Set, so könnte man es wohlwollend ausdrücken, versiegte der Strom an neuen Ideen nicht. Coppola warf Drehpläne spontan über den Haufen, verbrachte ganze Drehtage damit, einen einzelnen visuellen Effekt zu realisieren, verschanzte sich angeblich auch mal stundenlang Marihuana rauchend in seinem Trailer.

Es kann nicht wirklich überraschen, dass ein Film mit dieser Produktionsgeschichte unter seinen eigenen Ambitionen zusammenbricht. Dass er sich weniger wie eine konsequent verfolgte Vision anfühlt als wie eine Reihe durchaus spannender, nicht immer zusammenpassender Ansätze. Dass er mehr interessant als wirklich gelungen ist. Aber das, interessant, ist er ohne Frage.

Ich versuche hier aus Angst, einen spontanen Hirnschlag zu erleiden, gar nicht erst, den Plot zusammenzufassen. Was ihr, für die Zwecke dieses Reviews, wissen müsst, ist: 1. Megalopolis spielt in einer Bizarro-Version New Yorks, die das Amerika der Gegenwart mit dem alten Rom vermischt. Für die Leute auf den billigen Plätzen zieht Laurence Fishburnes Erzählerfigur ungefähr 20 mal explizit den Vergleich zwischen den USA und dem dem Untergang geweihten Rom. 2. Der Plot ist wirr, die meisten Handlungsstränge führen zu nichts und ungefähr die Hälfte der Figuren existieren nur, weil Coppola seine Familie und alte Freunde besetzen wollte. Im Kern aber geht es um die Rivalität zwischen dem Bürgermeister New Yorks, Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito), und dem Architekten Cesar Catilina (Adam Driver). Catilina ist Chef der »Design Authority« – was genau das ist, kann ich nicht abschließend sagen, aber es scheint eine Art Architekturbüro mit eigener Polizei zu sein. Er ist außerdem Nobelpreisträger für die Entdeckung des »Wundermaterials« Megalon und plant den Bau einer futuristischen Stadt, des titelgebenden Megalopolis. Oh, und er kann die Zeit anhalten. 3. Aubrey Plaza spielt eine Figur namens Wow Platinum, eine Mischung aus Only-Fans-Star, »Mad Money«-Host Jim Cramer und Jessica Rabbit. Wow Platinum ist nicht weiter relevant für den Rest dieses Reviews oder für, könnte man überzeugend argumentieren, den Film. Aber man könnte auch überzeugend argumentieren, dass sie das einzig relevante an Megalopolis ist, jedenfalls ist sie das unterhaltsamste.

Cicero und Catilina sollen, glaube ich, für gegensätzliche Ideen stehen: Cicero für das Aufrechterhalten des Status Quo, für Stillstand; Catilina für Aufbruch, Zukunft, große, utopische Visionen. Ich sage »glaube ich«, weil Megalopolis eher vage in diese Richtung gestikuliert als dass er sich wirklich Mühe gibt, seine beiden Figuren und ihre angeblich gegensätzlichen Ideologien auszuarbeiten. Cicero sagt am Anfang einmal, die Menschen bräuchten keine gigantomanischen Visionen, sondern Zugang zu Bildung und Sanitäranlagen, was jetzt erstmal nicht komplett unvernünftig klingt. Catilina redet ständig von Utopien und der Stadt der Zukunft, in der Menschen in golden-futuristischen Gebäuden miteinander darüber reden, wie eine utopische Gesellschaft aussehen könnte. Man wartet aber vergeblich darauf, dass er selbst mal den Anfang macht, ein paar konkrete Vorschläge in den Raum stellt, was so eine Utopie, auf einer gesellschaftlichen Ebene, ausmachen könnte. Hauptsache halt Diskurs, freie Rede und so. Die brillanteste Erfindung dieses großen Geistes scheinen goldene Bänder zu sein, die Menschen von A nach B transportieren. Sowas gibt es, wenn auch ästhetisch weniger ansprechend, an jedem Flughafen, aber damit reiht sich Catilina halt ein in die lange Liste selbsterklärter Tech-Visionäre, die Sachen erfinden, die es schon gibt, und sich dann laut über die Kleingeister beschweren, die sich davon nicht begeistern lassen.

Tatsächlich ist das wohl der ergiebigste Ansatz, eine einigermaßen kohärente Lesart für Megalopolis zu entwickeln: Coppola hat hier aus Versehen einen Film gemacht, der Einblicke gibt in das Denken von Tech-Bros und anderen, die sich für zukunftsgewandt, visionär halten, die behaupten, mit dem Status Quo brechen zu wollen, aber denen es an Vorstellungskraft fehlt, echte Alternativen zu entwerfen. Ihre Zukunftsvision zeichnet sich dadurch aus, dass alles irgendwie, nun, futuristisch ist, technisch fortgeschritten, glänzend und neu, aber wie wir Menschen und unser Miteinander uns verändern könnten, dazu fällt ihnen nichts ein. Catilina erinnert an die Anhänger von longtermism und effective altruism, oder halt einfach an Elon Musk: So, wie Musk meint, die Zukunft aus Star Trek herbeiführen zu können, indem er den technischen Fortschritt forciert – anstatt durch die radikale Umstrukturierung unserer Gesellschaft –, meint Catalina, man müsste halt einfach mal die Stadt der Zukunft aus futuristischem Material bauen, und alles andere wird sich dann schon irgendwie ergeben.

Das Ding ist halt, dass Coppolas Intention erkennbar eben nicht ist, diesen Typus zu entlarven. Catilina beginnt als einigermaßen ambivalente Figur, doch am Ende ist es wirklich er, der die Bevölkerung vereint und in eine neue Zukunft führt. Coppola hängt dem Geniekult an, sieht utopisches Potenzial letztlich in einzelnen, angeblich brillanten Geistern. Unter seinen vielen Einflüssen für Megalopolis listete Coppola zuletzt unter anderem das Werk des Anthropologen, Anarchisten und Occupy-Wallstreet-Vordenkers David Graeber. Wenn man’s weiß, kann man diesen Einfluss durchaus erkennen, in dem behaupteten Glauben Catilinas an den Menschen als im Grunde gut, an die Notwendigkeit, neue Gesellschaftsentwürfe basierend auf dieser Grundlage zu entwickeln. Nur ist Coppola halt ein reicher, alter Mann, der seit Dekaden wenig Kontakt zu Menschen mit weniger als siebenstelligem Kontostand hat. So verrät er an anderer Stelle sein Misstrauen in normale Menschen, etwa in einem halbherzigen Subplot, in dem Shia LaBeouf sich zum populistischen Anführer einer vage faschistoiden Bewegung aufspielt. Einhalt gebieten kann dem nur eine letzte, große Rede Catilinas – Menschen brauchen schon irgendwie Führer, nur die richtigen müssen es sein, die visionären Genies oder, naja, diejenigen, die am lautesten von sich behaupten, visionäre Genies zu sein. David Graber versprechen, aber letztlich nur Elon Musk liefern können – das ist schon eine besondere, faszinierend-tragische Art, an den eigenen Ansprüchen zu scheitern.

Gleichzeitig ist Catilina natürlich auch eine self-insert Figur Coppolas – Megalopolis wäre kein Spätwerk eines Großmeisters, könnte man ihn nicht auch als Film über das Filmemachen lesen. Coppola inszeniert sich also ein Stück weit selbst als missverstandenes Genie. Das kann man Coppola, angesichts der Schwierigkeiten, diesen Film und sein jüngeres Werk generell zu finanzieren, nicht ganz verüblen. Es hat aber einen unangenehmen Beigeschmack angesichts jüngster Entwicklungen: Coppola verklagte kürzlich Variety für die Berichterstattung über die Produktion des Films, und die Klage wirft Variety unter anderem vor, neidisch auf Coppolas Genie zu sein. Aber auch, wenn Megalopolis für mich nie so ganz als kohärentes Werk zusammenkommt, enthält er durchaus genügend Beweise für das, was man von mir aus Coppolas »Genie« nennen kann, wenn man denn unbedingt muss. Sequenzweise ist Megalopolis ein eindrucksvolles audiovisuelles Erlebnis. Sequenzen wie die, in der Catilina durch ein apokalyptisch anmutendes New Jersey chauffiert wird, vorbei an zusammenbrechenden, überlebensgroßen lebenden Statuen, oder eine zugegeben überlange Drogensequenz, erklären vielleicht ein Stück weit, warum die Produktion für Teile von Cast und Crew frustrierend war, und es so schwer war, die Finanzierung für das Projekt zusammenzukriegen: Es sind die Sorte hochspezifischer visueller Ideen, die Coppola wahrscheinlich genau vor Augen hatte, aber die schwer zu kommunizieren sind außer in ihrer fertigen Form. Schade nur, dass Coppola seinem Publikum nicht zutraut, irgendeine auch noch so unsubtile visuelle Metapher selbst zu dekodieren und deshalb ständig Figuren aussprechen lässt, was die Bilder gerade bereits kommuniziert haben (»So much injustice on the streets«, sagt eine Figur etwa, Sekunden nachdem wir eine lebende Justitia-Statue kollabieren gesehen haben).

Auf Letterboxd witzelte ich, dass ich alles an Megalopolis mochte, außer wann immer irgendeine Figur irgendetwas sagt. Ganz so schlimm ist es nicht, aber es stimmt, dass die Dialoge und die Handlung, die diese individuell eindrucksvollen Sequenzen zu einem größeren Ganzen verbinden sollen, stattdessen offenbaren, dass Coppolas »Vision« eher eine lose Ansammlung halbgarer Ideen ist. Das macht Megalopolis zu einem streckenweise frustrierenden Film, einem, der immer so kurz vor einem wirklich visionären Gedanken ist, aber dann doch zu kurz greift. Aber es ist gerade in diesem Scheitern, in dem der Film eben auch unfreiwillig entlarvend ist. Coppola hat uns keine utopische Vision zu bieten, aber vielleicht kann er uns helfen, zu verstehen, warum unsere Realität jeglicher Utopie so fern ist.