Wonder Woman 1984 ist eine seltsam resignierte Verteidigung des Status Quo

Ich glaube, wir waren alle vorbereitet auf einige der Arten, auf die Wonder Woman 1984 enttäuscht: Das hier ist halt ein Superhelden-Sequel. Wir wussten zum Beispiel, dass Regisseurin Patty Jenkins und ihre Co-Autoren Geoff Johns und Dave Callaham sich entschieden hatten, ihre Heldin diesmal gegen gleich zwei Villains antreten zu lassen, und das funktioniert halt genauso gut oder eben nicht, wie es das immer tut.

Worauf zumindest ich nicht vorbereitet war, ist wie zutiefst zynisch Wonder Woman 1984 ist. Also, jetzt nicht als Produkt, denn natürlich haben diese Sorte Filme immer etwas zynisches; natürlich ist etwas kalkuliertes darin, wie Wonder Woman 1984 Elemente des Vorgängers recyclet, von einer Checkliste abarbeitet, was beim ersten Mal »funktioniert« hat, was wir vermeintlich sehen wollen —— aber auch das war zu erwarten, und zu verschmerzen, es wäre naiv, anderes zu verlangen. Aber da ist auch ein tiefer Zynismus in der Geschichte, die Jenkins’ und Co. diesmal erzählen, der in beinahe schockierendem Kontrast zu der Freude, der Hoffnung und dem Optimismus steht, den der Vorgänger den Kollegen in DCs Grimdark-Universum entgegensetzte; was vielleicht ja eine legitime Entscheidung wäre, würde es überhaupt wie eine Entscheidung wirken, und nicht so, als hätten Jenkins und ihre Co-Autoren die Implikationen ihrer Geschichte nicht ganz zu Ende gedacht: Ich bezweifle, dass Wonder Woman 1984 als resignierte Verteidigung des Status Quo, als Argument gegen jede Art von Träumen und Hoffen, jeden Wunsch nach Veränderung gedacht ist, aber das ist, was rüberkommt.

Wir öffnen erneut auf Themyscira, der mythischen Insel, die Diana Prince (Gal Gadot) im ersten Teil verlassen musste. In einem Flashback zu ihrer Kindheit sehen wir die junge Diana an einer Art Amazonen-Bundesjugendspiele teilnehmen. Diana, die mit Abstand jüngste Teilnehmerin, liegt zunächst vorne, wird dann etwas übermütig, und nimmt dann eine anscheinend verbotene Abkürzung, weswegen ihre Mentorin Antiope (Robin Wright) sie kurz vor dem Ziel einfängt und zurechtweist. Die Lektion, die sie der jungen Diana gibt, etabliert das Thema des Films: Es geht darum, die Wahrheit anzuerkennen, auch, wenn uns diese nicht gefällt. Zweifelsohne eine wertvolle Botschaft, gerade in der Zeit, in der wir leben —— doch was den Film so zynisch macht, ist dass sein Gedankengang hier endet: Das Finale gipfelt in einer emotionalen Rede Dianas, in der sie die Lektion ihrer Mentorin wiederholt. Allerdings bleibt sie dabei die Antwort auf eine Frage schuldig, die, würde man meinen, einem Symbol für Hoffnung und den Kampf für das Gute wie Wonder Woman ziemlich am Herzen liegen sollte: Was, wenn die Wahrheit nicht nur unbequem, sondern aktiv ungerecht ist? Gibt es einen Pfad zu Veränderung, oder sind »die Wahrheit leugnen« und »sie akzeptieren und sich mit dem eigenen Leid abfinden« die einzigen Optionen?

Die seltsam resignierte Haltung des Films lässt sich am Besten durch seinen Umgang mit den beiden Villains illustrieren. Da ist zunächst Maxwell Lord (Pedro Pascal): ein zugekokster Grifter, der, dank einem magischen MacGuffin, die Fähigkeit hat, Menschen ihre Wünsche zu erfüllen. Und dann ist da Barbara Minerva (Kristen Wiig), eine schüchterne, toll­patschige Kollegin Dianas; sie wünscht sich, »wie Diana« zu sein, was auch funktioniert: Sie erhält Dianas Superkraft, sowie die Aufmerksamkeit ihrer Kollegen und das Selbst­bewusstsein, das mit all dem kommt. Doch als Diana sich gegen Lord wendet, weil er sich wenig um die Konsequenzen seiner Kräfte schert, wendet Barbara sich gegen Diana —— sie will nicht auf ihre neuen Kräfte verzichten.

Es ist bezeichnend, welchen der beiden Villains Wonder Woman 1984 für läuterungsfähig hält und welchen nicht: Lords Arc endet mit einer tränenreichen Reunion mit seinem Sohn; Barbaras damit, dass sie zu Wonder Womans Erzrivalin Cheetah wird. Lord ist ein Standin sowohl für die »Greed is good«-Mentalität der Reagan-Jahre als auch für Donald Trump —— es ist deprimierend, dass der Film für ihn so viel mehr Mitgefühl übrig hat als für Barbara, deren Motivation angesichts des echten Mobbing, dem sie vor ihrer Verwandlung ausgesetzt ist, doch so viel nachvollzieh­barer scheint; Diana bietet ihr nie einen Weg zur Veränderung an —— sie versucht lediglich, sie von dem Wert zu überzeugen, den es habe, die Wahrheit zu akzeptieren. Aus dem Mund eines Übermenschen wie Diana klingt das verdächtig nach: Manche von uns sind einfach von Natur aus besser als andere, und es ist falsch, unser Los im Leben ver­bessern zu wollen.

Natürlich muss Diana auch ihre eigene Lektion über die Wahrheit und sie zu akzeptieren lernen. Sie beginnt den Film in einer tiefen Depression über den Tod von Steve Trevor (Chris Pine), ihr Love Interest aus dem ersten Teil. Das ist nicht nur eine zweifelhafte Ent­scheidung, weil es die feministische Ikone Wonder Woman, Männer in Teil 1 noch für »unnecessary« befand, 70 Jahre lang um denselben Typen trauern lässt; es führt auch dazu, dass Gal Gadot über weite Strecken gegen ihre Stärken spielen muss: Gadot ist eine charmante, charis­matische Präsenz, aber sie ist keine besonders begabte dramatische Schauspielerin; hier darf sie nur selten Spaß haben, flirten, Hoffnung und Freude spenden, all das, worin sie in Teil 1 so gut war; sie muss ihren natürlichen Esprit und ihre Energie dämpfen, und das offenbart leider ihre Grenzen.

Der Wunsch, der Diana erfüllt wird, ist natürlich, Steve wiederzusehen —— wie Jenkins & Co. das realisieren, hat allerdings unangenehme Implikationen: Steve kehrt im Körper eines Anderen zurück —— eines tatsächlich existierenden Anderen; verstörend an der Beziehung der beiden ist daher weniger, dass Diana die Wahrheit leugnet, als dass sie, selbst, nachdem sie diese doch akzeptiert und Steve gehen lässt, sich herzlich wenig um Fragen von Consent schert, darum, wo genau dieser andere Typ war, als Steve sich seinen Körper »ge­liehen« hat, und was es mit ihm macht, ein paar Wochen später wieder in seinem Leben aufzuwachen.

Es gibt Gutes in Wonder Woman 1984: Die Eröff­nung auf Themyscira und eine darauf folgende Sequenz in einer Mall, in der Wonder Woman ausnahmsweise doch kurz das hemmungslos cheesy Symbol für Hoffnung sein darf, das sie im ersten Teil war; Wiigs und Pascals Performances, beide, wie Twitter-User @utherlives beobachtete, bessere Interpretationen des Joker als die von Joaquin Phoenix. Aber was den ersten Teil zu einer solchen Überraschung machte, war, dass er so genau wusste, was er zu sagen hatte, und dass er so zeigte, wozu das fad gewordene Superheldengenre fähig ist, warum Superhelden überhaupt zu den Ikonen wurden, die sie sind; es war eine Rückkehr zu Richard Donners Superman, zur U-Bahn-Sequenz in Spider-Man 2: Diana war eine Heldin, nicht, weil sie besser war als wir, sondern weil sie an das Beste in uns glaubte, weil sie unsere Fehler und unser Leid sah, aber glaubte, dass wir zu Besserem fähig sind und dafür kämpfte, und uns ermutigte, mit ihr dafür zu kämpfen. Ich bin mir nicht sicher, woran, wenn überhaupt, die Diana Prince aus WW 84 noch glaubt, und sie kämpft nur für das Erhalten des Status Quo. Vielleicht ist WW 84 so ein Dokument der Desillusionierung der letzten Jahre: Es fällt uns ja allen zunehmend schwerer, an das Gute in uns und eine bessere Zukunft zu glauben. Aber ich weiß nicht, ob ich ausgerechnet eine Superheldin brauchte, um mir das nochmal zu sagen.




Date
February 18, 2021