Don’t Worry Darling: Keine Katastrophe, aber auch nicht der Film, der er hätte sein können

Spoiler für Don’t Worry Darling.

Ich wünschte, Don’t Worry Darling wäre ein interessanterer Film.

Ich fand das Drama im Vorfeld in weiten Teilen ziemlich lächerlich: Dass es Spannungen und wahrscheinlich auch unprofessionelles Verhalten von Regisseurin Olivia Wilde am Set gab, daran zweifle ich gar nicht; aber das obsessive Analysieren von allem, was die Beteiligten zum Film sagen — oder, in Florence Pughs Fall, nicht sagen —, das Stilisieren von völlig egalem Premierenfootage zu einer Art Zapruder-Film, der beweisen soll, dass Harry Styles Chris Pine angespuckt habe1, das war alles einigermaßen drüber. Terri White hat einen Punkt, wenn sie schreibt, dass männliche Regisseure, selbst die, von denen wir wissen, dass sie nicht nur unprofessionell, sondern aktiv missbräuchlich am Set sein können, selten Gegenstand einer solchen kollektiven Obsession werden.

Es wäre daher schön, könnte ich schreiben, dass der Film selbst all das Drama und die Gerüchte vergessen macht, dass er für sich stehen kann. Leider ist Don’t Worry Darling die schlimmstmögliche Art von Film nach so einem Vorlauf: Er ist weder richtig gut, noch auf interessante Weise schlecht. Er ist einfach ziemlich egal, die Sorte Film, die man anschaut, milde unterhalten bis gelangweilt ist, um dann, am Ende, wenn »alle Puzzleteile zusammenkommen«, im wesentlichen sowas zu denken wie »Ah. Okay.« und dann nie wieder über den Film nachzudenken.

Es geht um Alice (Florence Pugh). Alice heißt so, weil sie oft in Glasscheiben und Spiegel guckt und in einer Welt lebt, in der der Schein trügt, und weil Matrix auch mit Alice-in-Wonderland-Referenzen gearbeitet hatte. Sie lebt mit ihrem Mann Jack (Harry Styles) in Victory, einer idyllischen 50er-Jahre-Kleinstadt irgendwo in der Wüste. Victory und seine Gemeinde wurden von Frank (Chris Pine) aufgebaut, der auch der mysteriöse CEO des »Victory Projects« ist, für das alle Männer in der Stadt arbeiten. Was genau sie da machen, darüber dürfen sie nicht reden, irgendwas mit »progressive materials«. Alice genießt zunächst die Idylle, das geordnete, routinierte Leben, und nicht zuletzt ihre leidenschaftliche Beziehung mit ihrem Mann, aber bald fängt sie an Fragen zu stellen und versucht dem Geheimnis von Victory auf die Spur zu kommen.

Wer etwa 5 Minuten des Films gesehen und ein Bisschen Wissen über das Subgenre hat, das Wilde hier bedient — oder, ganz ehrlich, wer den Trailer gesehen oder ein einziges Interview mit Wilde zum Film gelesen hat —, wird schnell ungefähr durchschauen, was hier los ist, auch, wenn es dann zwei, drei verschiedene Arten gibt, wie Wilde das auf der Plot-Ebene auflösen könnte (von denen sie die dümmste wählt). Wilde hält sich dennoch bedeckt für den Großteil der Laufzeit des Films, was eine gewisse Überschätzung von sich selbst und der Cleverness ihres Films nahelegt. Den Film aus dieser Motivation heraus zu gucken — als eine Mystery-Box, auf diesen »Aha-Moment« wartend, in dem sich alle Puzzle-Teile, die Wilde und Drehbuchautorin Katie Silberman vor uns ausgebreitet haben, zusammenfügen —, kann jedenfalls eigentlich nur zu Enttäuschung führen: Größtenteils bedient sich Wilde in der Konstruktion ihrer Mystery-Box einfach bei klassischen, besseren Filmen — Stepford Wives, The Matrix —, und anstatt überrascht zu sein oder die Cleverness der Konstruktion zu bewundern rollt man eher mit den Augen und erinnert sich daran, das alles anderswo schon besser gesehen zu haben. Die wenigen eigenen Impulse, die Wilde dem hinzufügt, beschränken sich weitestgehend auf Details der Sorte »wäre es nicht cool, wenn?« — einigermaßen beliebige Visuals und Motive, die irgendwie mysteriös und einprägsam wirken, aber die entweder gar nichts mit Wildes Mystery und ihrer Auflösung wenn man mehr als ein paar Sekunden darüber nachdenkt.

Das wäre in der Theorie gar nicht so schlimm, denn Wilde hat höhere Ziele als eine clever konstruierte Mystery: Don’t Worry Darling soll eine…Dekonstruktion? Satire? Von Incel-Ideologie und Kultur sein. Und würde das funktionieren — hätte Wilde irgendwas interessantes zu diesem Thema zu sagen — und stünde die Plot-Konstruktion irgendwie in diesem Dienste, könnte man die fehlende innere Logik und das Recyclen von Tropes und Motiven aus klassischen Filmen ja ganz gut verzeihen. Leider bleibt die Beschäftigung des Films mit dem Thema oberflächlich, und die Mystery-Box-Struktur ist dafür mitverantwortlich.

Wie gesagt: Man kriegt die Grundzüge des Geheimnisses von Victory einigermaßen früh mit: Offensichtlich handelt es sich um eine irgendwie konstruierte Welt, die die Flucht in eine Vergangenheit verspricht, in der die Welt (angeblich) noch simpler, die Hierarchien klarer waren, in der vor allem Frauen noch wussten, ~wo ihr Platz ist~. Auch lassen Wilde und Silberman Frank eine Sprache sprechen, die an die von Tech-Bros erinnert — halb Business-Pitch, halb Predigt — und, zu einem kleineren Grade, an die von rechten Influencern wie den im Marketing des Films oft von Wilde erwähnten Jordan Peterson.

Man kann also nicht behaupten, als wäre Wildes finaler »Twist« unvorbereitet: Victory ist eine virtuelle Realität, erschaffen von Frank, im realen Leben eben halb Tech-CEO, halb Incel-Guru; Männer wie Jack halten Frauen wie Alice gegen ihren Willen gefangen, ihre Erinnerungen werden unterdrückt, damit sie brav ihre Rollen im Incel-Paradies Victory spielen. Auf dem Papier passt das schon zu dem, was vorher kam, und überrascht höchstens in Details. Trotzdem funktioniert es nicht, trotzdem wirkt es wie aufgesetzt auf eine Geschichte, zu der es nicht ganz passen will.

Das liegt daran, dass es genau das ist, zumindest auf der thematischen Ebene. Der Blick in das Original-Drehbuch von Carey und Shane Van Dyke2, das 2019 auf der »Black List« der angeblich besten unproduzierten Drehbücher stand, ist hier instruktiv.

Vor Silbermans Rewrite war das Drehbuch fundamental anders strukturiert: Was in Wildes fertigem Film der finale Twist ist — die Offenbarung, dass Victory eine virtuelle Realität ist —, erfahren wir (und Alice) bei den Van-Dyke-Brüdern auf Seite 19.3 Vielleicht war das eine Studio-Note, vielleicht war es Wildes oder Silbermans Entscheidung, auf jeden Fall folgt diese Änderung dem aktuellen, ermüdenden Trend, jede erdenkliche Geschichte in eine Mystery-Box-Struktur zu zwängen, und wie so oft leidet das Endergebnis darunter: Es hat eine andere Wirkung, eine solche Offenbarung im ersten Akt oder ganz zum Schluss, als finalen »Twist« zu platzieren. In ersterem Fall ist es ein Teil des Setups, und die Frage des Publikums ist eher, was daraus gemacht wird; in letzterem soll es der finale Payoff sein, eine befriedigende Auflösung der Mystery — und das funktioniert einfach nicht, wenn die Details, wie hier, so undurchdacht sind. Daneben leidet auch unsere Beziehung zu Alice/Evelyn unter dieser Umstrukturierung: Was uns im Skript zum Weiterlesen bewegt, ist die Frage, wie diese Figur aus ihrer Gefangenschaft herauskommt — das kreiert eine viel stärkere Bindung zu ihr als das, was uns der Film bietet, wo es vor allem um die Frage gehen soll, was es mit Victory und dem »Projekt« auf sich hat, an dem die Männer der Stadt arbeiten.

Und während es im Drehbuch natürlich auch irgendwie um Patriarchat und Unterdrückung geht, ist die explizite Bezugnahme auf Incels Wildes und/oder Silbermans Idee. Es ist nicht so, dass das thematisch überhaupt nicht zum Material passen würde, aber auch das würde besser funktionieren, würde Wilde es früher explizit machen. Mit dem finalen Twist zeigt Wilde uns auch, in einer kurzen Sequenz, wie Jacks und Alice’ Leben in der realen Welt, vor Victory, aussah: Wir sehen eine kurze Szene, in der Alice, die in ihrem früheren Leben Ärztin war, von der Arbeit heimkommt. Jack beginnt einen Streit mit ihr, weil sie zu viel Zeit bei der Arbeit verbringe. Alice geht ins Bett, also wendet sich Jack seinem Computer zu, auf dem er einen Podcast oder ein YouTube-Video oder so von Frank hört, der in der Realität offenbar eine Art rechter Influencer ist. Harry Styles ist dabei halbherzig »hässlicher« gemacht, mit längeren Haaren, einer Brille und Dreitagebart. Ich find’s ziemlich sexy, aber die Idee ist glaube ich, eine gewisse Ungepflegtheit zu suggerieren.

Das basiert alles irgendwie auf Material aus dem Drehbuch, aber in dieser Kürze und Verdichtung, und positioniert als der finale Twist, der alles erklären und auflösen soll, ist es lächerlich oberflächlich. Es gibt uns keinen echten Einblick in Jacks Psyche, was essenziell wäre für eine substanzielle Kritik an Incel-Ideologie. Wildes Kritik beläuft sich, in dieser Form, im wesentlichen auf, »Incels sind ungepflegt und verbringen zu viel Zeit im Internet«, was ich doch einigermaßen dünn finde. Ja, die Sequenz lässt sogar die bösartige Lesart zu, dass Jack so viel Zeit im Internet verbringt, weil Alice zu viel arbeitet, was sicher nicht Wildes Intention ist.

Das Drehbuch enthält, wie gesagt, zwar keine offensichtlichen Bezüge zu Incel-Kultur, aber wir bekommen dennoch einen tieferen Einblick in Alice’ und Jacks Beziehung, und verstehen beide auch besser als Figuren. Die wohl schlechteste Entscheidung in Silbermans Adaption des Drehbuchs hat, vermute ich mal, erneut mit dem Ziel zu tun, möglichst viel »Mystery« zu erzeugen: Während Alice und Jack im Film zunächst eine scheinbar harmonische Beziehung führen, ist ihre Beziehung im Drehbuch von Seite 1 an ambivalenter. Sie wirken weniger wie ein junges Paar, das nicht voneinander lassen kann, als wie eines, das schon einiges hinter sich hat und in Victory einen Neuanfang starten will/soll (der natürlich, von Alice’ Seite aus, nicht so gewollt ist). Das heißt, dass von Anfang an Risse sichtbar sind, und was wir dadurch sehen können, ist erhellend: Alice und vor allem Jack sagen früh Dinge, die ihre wahre Persönlichkeit offenbaren, und im Laufe des Skripts erhalten wir ein vollständigeres Bild davon, wie Jack »tickt«, welche hässliche Ideologie er verinnerlicht hat.

Und noch etwas funktioniert so besser: Während Alice im Film zuerst an ihrer Realität zweifelt, und dann, dadurch ausgelöst, an ihrer Beziehung, ist der Verlauf im Skript umgekehrt. Für eine Geschichte über das Patriarchat und die Ideologien und Systeme, die es am Leben haltet, scheint mir das eine logischere, effektivere Progression: Alice vermutet die Probleme zunächst in ihrer Beziehung, erkennt dann aber, dass ihre persönlichen Konflikte mit Jack nur ein Ausdruck von größeren, systemischen Problemen sind.

Das ist alles, zugegeben, nitpicky. Don’t Worry Darling ist keine Katastrophe, und er hat, bei all diesen Schwächen im Skript, auch seine Stärken: Olivia Wilde ist zweifelsohne eine talentierte Regisseurin, sie findet durchaus einige einprägsame Bilder und die etwas nervöse, beunruhigende Kameraarbeit kontrastiert effektiv mit der scheinbaren Idylle Victorys. Florence Pugh, wie immer, ist fantastisch. Man kann sich das schon irgendwie angucken.

Aber ich finde diese Art von mittelmäßigem-bis-schlechtem Film irgendwie besonders ärgerlich: Ein solides Drehbuch wird gekauft und zu einem mittelmäßigen Film adaptiert, anscheinend nichtmal, weil irgendwelche Executives sich einmischen, sondern weil der*die Regisseurin unbedingt ihren eigenen »Take« mitbringen musste, und dabei die Stärken, die das Material bereits hat, übersehen hat. A Quiet Place war zuletzt ein ähnlicher, noch ärgerlicherer Fall: Hier wurde ein ziemlich großartiges, unkonventionelles Drehbuch durch den Fleischwolf von John Krasinskis Eitelkeit gedreht, sodass ein Film herauskam, der trotz seines cleveren und durchaus Effektiv eingesetzten Gimmicks letztlich konventionelle Hollywood-Fließbandware war. Aus einer recht düsteren Geschichte über eine ziemlich abgefuckte Familie, die sich irgendwie zusammenrotten muss, mit einem Ende, das — durchaus gewagt — suggeriert, dass es manchmal besser für eine Familie sein kann, wenn ein toxisches Mitglied aus der Gleichung entfernt wird, wurde eine Geschichte darüber, dass John Krasinski der beste Vater der Welt ist.

Don’t Worry Darling ist ein weniger arger Fall: Hier ist weder das Ausgangsmaterial so stark, noch der Film so weit weg, von dem, was die ursprünglichen Autoren vorhatten. Hier bleibt uns kein potenziell brillanter Film vorenthalten, es ist »nur« so, dass die fertige Version ein Stück schlechter »funktioniert«, merklich weniger effektiv darin ist, die Geschichte zu erzählen und die Ideen zu dramatisieren. Es ist keine Tragödie, wie bei A Quiet Place, und ich hoffe, dass Wilde nicht unfair »bestraft« wird (wie man nach dem Drama im Vorfeld leider erwarten muss).4 Aber es bleibt ärgerlich, dass Wildes Film eben nicht so gut ist, wie er hätte sein können, hätte sie ihrem Ausgangsmaterial mehr vertraut.


Danke fürs Lesen! Vielleicht gefällt dir ja auch mein Review zu Jordan Peeles Nope.

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  1. Sehr glaubhaft, dass jemand mit so streng durchkuratiertem Image wie Harry Styles sowas machen würde.↩︎

  2. Die Enkel von Dick van Dyke.↩︎

  3. Alice und Jack heißen im Drehbuch »Evelyn« und »Clifford«, ich werde hier der Einfachheit halber aber bei den Filmnamen bleiben.↩︎

  4. Ich hoffe dagegen inständig, dass John Krasinski lebenslanges Berufsverbot bekommt, aber das ist eine andere Sache.↩︎



Date
October 5, 2022