Cinemasins und ihre Nachahmer haben dem Filmdiskurs im Internet nachhaltigen Schaden zugefügt. Primär natürlich, indem sie eine oberflächliche, kunstfeindliche Art von Filmrezeption popularisiert haben, eine, die sich auf das Suchen von »Plotholes« fokussiert, darauf, zu beweisen, dass man »schlauer« ist als der Film, über den man spricht. Dieser Ansatz ist mittlerweile mehr als hinreichend problematisiert und auseinandergenommen – der »CinemaSins-Takedown« ist im Grunde ein eigenes Subgenre von Video-Essays.

Weniger diskutiert ist bislang der sekundäre Schaden, den CinemaSins angerichtet hat: Es ist, in Cineasten-Kreisen, mittlerweile schwierig, überhaupt irgendetwas über den Plot eines Films zu beobachten, ohne CinemaSins’schem nitpicking bezichtigt zu werden. Es ist eine verständliche, aber anstrengende Überkorrektur.

Diskussionen über die Filme von M. Night Shyamalan sind da vielleicht das beste Beispiel. Shyamalan genießt, nachdem sein Name eine Zeitlang mehr eine Pointe war, mittlerweile wieder großes Ansehen bei Filmfans. Das ist erstmal auch gut so: Shyamalans letzte Handvoll von Filmen, seit etwa The Visit, waren alle mindestens interessant, teils richtig gelungen, und ganz ehrlich, selbst seine schwächeren Filme waren immer sehenswert, hatten immer ein, zwei Sequenzen, die sein handwerkliches Können zur Schau stellten, oder wenigstens ein paar unterhaltsam debile Ideen.1 Der Spott, dem viele den einstigen »nächsten Spielberg« lange unterzogen, war zweifelsohne übertrieben und hatte gelegentlich – man denke an halblustige Wortspiele mit seinem Namen – auch eine milde rassistische Dimension.

Aber Shyamalans leidenschaftlichste Verteidiger, die sich mittlerweile (wieder) in weiten Teilen mit der Sorte Filmfan überschneiden, die den CinemaSins-Ansatz ablehnen, verweigern mittlerweile oft jede Diskussion über Shyamalans Plots. Grundsätzlich habe ich einiges übrig für diese Haltung: Filme brauchen keinen besonders ausgeklügelten Plot, um zu funktionieren, und Diskussionen, die ausschließlich auf der Plot-Ebene stattfinden, sind selten besonders ergiebig, lassen oft völlig aus, was ein Werk interessant macht.2 Das Bedürfnis mancher Nerds, ihre intellektuelle Überlegenheit gegenüber einem Film zu beweisen, finde ich auch maximal anstrengend, suspension of disbelief gehört für mich zum guten Ton der Filmrezeption. Sätze wie »Plot-Holes sind mir egal« oder »›das macht keinen Sinn‹ ist eine langweilige Kritik« gehören wohl zu den häufigsten, die ich in Diskussionen über Filme sage.

Aber Shyamalans Filme, auch seine besseren, zeigen mir oft die Grenzen dieser Haltung auf. Das hat damit zu tun, dass Shyamalans Filme offenbar meine persönliche Maximaldosis an Plot-Absurditäten überschreiten, was natürlich irgendwie eine Geschmacksfrage ist. Ich finde aber auch, dass man Shyamalans Arbeit oft schlicht nicht gerecht wird, wenn man ihr nicht auf dieser Ebene begegnet.

Ein Film wie Trap, Shyamalans jüngster, ist einfach zu plot-forward, als dass man diese Ebene ignorieren könnte. Es geht um Cooper (Josh Hartnett), der mit Teenie-Tochter Riley (Ariel Donoghue) ein Konzert der Taylor-Swift-inspirierten Pop-Sängerin Lady Raven (Shyamalans Tochter Saleka) besucht. Doch Cooper ist nicht nur Familienvater, sondern auch der berüchtigte Serienkiller »The Butcher«. Das Konzert stellt sich als große Falle heraus, als polizeikoordinierte Operation, den Killer zu stellen. Es ist eine clevere, puzzleboxartige Prämisse, und die Hook hier, das, was uns emotional in den Film investieren lässt, ist nicht etwa die eher generische Beziehung zwischen Cooper und seiner Tochter als die simple, plotfokussierte Frage: Und was passiert dann? Wie entkommt Cooper aus der scheinbar ausweglosen Situation?

Die Antwort lautet, dass die gesamte Welt des Films sich um ihn biegt – die ausweglose Situation bietet ihm in entscheidenden Momenten sehr komfortable Auswege, die sich ihm, würde der Film annähernd nach den Regeln der Realität spielen, so nicht bieten würden. Ist es nitpicking, das unbefriedigend zu finden? Suspension of disbelief ist schön und gut, aber hier erwartet der Film von uns, unseren eigenen Augen nicht zu trauen: Wir sollen ihn beim Wort nehmen, wenn es heißt, die Konzerthalle sei hermetisch abgeriegelt, werde akribisch von der Polizei durchkämmt; wenn wir doch sehen können, dass es offensichtlich leichter ist für Cooper, sich innerhalb der Halle, auch in eigentlich abgeriegelte Bereiche, zu bewegen als auf jedem normalen Konzert, das wir je besucht haben. Dass sein Entkommen aus der Halle letztlich lächerlich einfach ist- Irgendwann, nach dem zehnten unglaubwürdigen glücklichen Zufall wirkt es nicht mehr, als würde ein Filmemacher sich gelegentliche Freiheiten nehmen, hier und da die Regeln der Realität biegen, um einen spannenderen Film zu schaffen, sondern als würde er das Publikum die Arbeit machen lassen: Trap gibt sich wenig Mühe, Cooper als den kühl-intelligenten, skrupellosen Killer zu zeigen, der er wohl sein soll, und noch weniger, die Gefahr der Situation zu etablieren, zählt aber darauf, dass wir beides irgendwie annehmen und uns vorstellen, damit irgendeine Art von Spannung entsteht.

Das Problem ist auch, dass wir einfach zu wenig für unsere suspension of disbelief belohnt werden – was, ironischerweise, zum Teil daran liegt, dass Shyamalan eben ein so plot-besessener Drehbuchautor ist. Über Shyamalans Twists wurde in den letzten paar Dekaden viel gewitzelt, und zweifelsohne wurden seine Filme allzu oft auf ihre mehr oder weniger überraschende finale Wendung reduziert. Dass Shyamalan seine Plots aber gerne so konstruiert, dass noch möglichst spät neue, game-changing Informationen offenbart werden, ist nicht von der Hand zu weisen, und ist auch bei Trap nicht anders.

Ich versuche hier, so vage wie möglich zu bleiben, aber leichte Spoiler sind unvermeidlich. Die Protagonistin des Films wechselt im Grunde zwei mal – von Cooper zu Lady Raven zu Coopers Frau Rachel (Alison Pill). Das ist in der Theorie erstmal nicht uninteressant, in der Praxis jedoch führt es dazu, dass die interessanteste Beziehung des Films erst kurz vor Schluss überhaupt etabliert wird. Gegen Ende gibt es eine ca. 15minütige Strecke, in der mir Trap richtig gut gefallen hat, in deren Zentrum die klimaktische Konfrontation von Cooper und Rachel steht. Die Plot–Unglaubwürdigkeiten hören hier nicht auf – damit es überhaupt zu dieser Konfrontation kommen kann, muss die Polizei, inklusive der angeblich brillanten FBI-Profilerin, die den Einsatz koordiniert, absurd inkompetent handeln –, aber sie fallen jetzt weniger ins Gewicht, da wir dafür, darüber hinwegzusehen, mit interessanter Charakterarbeit belohnt werden. Aber dass Trap erst so spät auf diese interessantere Ebene wechselt, ist frustrierend. Es unterstreicht nur, woran es dem Film fehlte, und es wirft Fragen auf – warum war Rachel bereit, ihre Tochter so in Gefahr zu bringen? Wie hat sie sich gefühlt mit dem Wissen, dass Riley gemeinsam mit dem »Butcher« in der Falle sitzt? – die über »Plotholes« hinausgehen: Sie deuten auf den viel interessanteren Film hin, der Trap hätte sein können, hätte Shyamalan sich eben weniger auf die Plot-Ebene fokussiert, wäre er nicht so besessen davon, seinen Filmen auf Biegen und Brechen einen »Twist« zu geben.

Trap ist so, wie so viele Shyamalan-Filme, einer, der in Sequenzen und Momenten funktioniert, aber nicht als ganzes. Er macht es sich einfach, indem er die eigene Prämisse nicht konsequent zu Ende denkt, seine eigenen (behaupteten) Regeln bricht. Und der, ja, schlicht keinen Sinn macht, keine interne Kohärenz hat, und das über weite Strecken nicht mit anderen Qualitäten aufwiegen kann. Er verdient sich unsere suspension of disbelief nicht.


  1. Mit Ausnahme vielleicht von seiner Verfilmung von Avatar: The Last Airbender. ↩︎

  2. Siehe als prominentes und ewiges Beispiel die beliebtesten Kritikpunkte an The Last Jedi, die sich an Plausibilitäts-Nickeligkeiten aufhängen, ohne die thematische Intention dahinter in Betracht zu ziehen. ↩︎